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20 Jahre Jungs & Mädels on a Dub Tip

Vor genau 20 Jahren, während ich noch mit Pokemonkarten und Kaugummizigaretten auf’m Marktplatz gechillt habe, erblickte dieser Klassiker das Licht der Erde. Mir bis vor kurzem noch völlig unbekannt, hat mich das Anhören dieser Platte doch schon ein bisschen geflasht. Man hört der Berlin – Hamburg Connection den Spaß an, beim Hören von Jungs & Mädels on a Dub Tip, welche im Jahr 1998 erschienen ist. Jungs & Mädels das war ein kleines Label aus Dub- und Elektroniknerds die auf so tolle Namen wie, Harzkrafthof, Top Banana Trio oder Peter Image hörten. Aus verschiedenen analogen und digitalen Spielgeräten wurde diese Art Compilation erstellt. Soundmäßig wird hier dem Dub gehuldigt, drumherum werden Sounds aus verschiedenen Genres wie Trip Hop, Reggae, Ambient, Hip Hop und Dancehall skizziert. Und es macht einfach nur Laune. Genau mein Ding. Danke Henrik für den Kontakt, werde den Sound wohl noch lange weiter genießen. Und ihr entdeckt diese Platte hoffentlich auch wieder oder, wie wir hier, komplett neu.

Und da der Mann im Promo Sheet diese Zeit so gut und schön beschreibt und ich euch das nicht enthalten möchte, könnt ihr mal aus der Sicht der Leute selber lesen, wie das so war, damals…

1998. Wir hatten zwar schon Handys und E-Mail-Adressen, aber definitiv noch keinen Account bei Facebook. Das 20. Jahrhundert ging seinem Ende zu und vielleicht würde der Milleniums-Bug ja wirklich alle Computer lahmlegen. Besser also, sich noch eine Weile lang auf die Analogtechnik zu verlassen. Uns interessierten Beats, Basslinien, und Echos. Wir hatten einen archaischen Drumcomputer von
gigantischen Ausmaßen, den Dr. Böhm Computerband 2000. Und sogar ein Bandecho von Roland, das gleiche Model, mit dem Lee Perry gearbeitet hatte. Es gab noch jede Menge anderer Geräte undbestimmt waren auch digitale dabei, so eng haben wir das nun auch nicht gesehen. Eine Vinylschallplatte mit eigenem Material in den Händen zu halten, war natürlich ein großer Traum. Aber es gab kaum noch Presswerke und eine LP pressen zu lassen, war ungefähr genauso teuer, wie eine CD zu produzieren. Das hatten wir mehrmals gemacht – mit dem Resultat, dass überall kartonweise unverkaufte CDs herumstanden. Die Vinylplatte mochte bereits für tot erklärt
worden sein, doch die CD hatte man auch schon als ziemlich unsexy erkannt. Mit der Öffnung der tschechischen Grenze war jedoch wieder Bewegung in die Sache gekommen. Es gab da nämlich dieses Presswerk in Loděnice und dort zu bestellen, war nicht nur viel billiger, esmussten auch nicht gleich 1.000 Stück sein. Man konnte winzige Auflagen bestellen, 100 oder sogar nur 50 Kopien, wenn man wollte. Die Platten kamen dann per Luftfracht, und man musste sie beim Flughafen abholen. Zollpapiere unterschreiben und so,irgendwo kamen dann ein paar Kartonsraus, sehr aufregend alles. Wir hatten zunächst mal eine Single ausprobiert. Sie war ein bisschen leise, klang nicht besoders toll, aber es war Vinyl, mit der eigenen Musik drauf! Wahnsinn. Ein „Label“ musste man natürlich
haben, eine Firma, eine Gang oder was auch immer. Wir nannten unser Label „Jungs & Mädels“. Und jetzt juckte es uns natürlich in den Fingern, auch eine LP zu machen.Dub war ein Genre, in das die verschiedenen Ansätze, die wir so verfolgten, alle irgendwie reinpassten. Die Idee war, wir stellen aus unseren Stücken eine hübsche Kompilation zusammen und dann kann jeder soviele Platten bekommen, wie er gerne haben will. Am Ende bestellten wir 300 und sie sind alle irgendwo gelandet. Keine Kartons mit unverkauften Einheiten. Ich habe genaunoch zwei Exemplare, von denen aber auch nur eins in dem korrekten Cover steckt. Die Vinylplatte war 1998 alles andere als tot. Im Gegenteil, es gab so viele davon, dass gar nicht für jede ein richtiges Cover gestaltet wurde. Techno, House und Hip-Hop erschienen oft in schwarzen oder weißen unbedruckten Hüllen, die manchmal ein Loch in der Mitte hatten. Damit man lesen
konnte, was direkt auf dem Etikett der Platte gedruckt war. Oder auch, damit man sehen konnte, dass da gar nichts gedruckt war. Das war natürlich am allercoolsten. Manchmal wurde auch ein Aufkleber draufgepappt und darauf befand sich dann doch ein bisschen
„Artwork“. So wollten wir es auch machen. Für die totale Anonymität waren wir mit unserem ersten großen Wurf noch nicht bereit.
Im Hamburger Karoviertel war die Zentrale. Da liefen die Fäden zusammen, da stand auch das Faxgerät. Annette suchte Fotos aus, von denen sie einige in New York gemacht hatte, dem Mekka der Schallplatten ohne richtiges Cover. Sven arbeitete am richtigen Schwarzton für den Aufkleber; dunkelgrünes Schwarz auf schwarzem Cover, das würde sich gut machen.Aber das Mischpult stand in Jochens Wohnung in Berlin. Mit einem großen Mischpult macht das Dubben erst richtig Spaß. Man braucht mehrere Aux-Wege, um die Signale einzeln in die verschiedenen Echos zu schicken. Und Mute-Tasten, um Instrumente für ein paar Takte auszuschalten. So kann man eigentlich aus allem eine Dubversion machen. Lars hatte Stücke, Jochen hatte Stücke. Lars hatte eines mit Jochen am Bass. Schnell noch einen Titel erfinden, 6000 Dub. Das Jahr 2000 stand ja wie gesagt bevor, da musste man jetzt die Einsätzestark erhöhen. Das Top Banana Trio wurde verdubbt. Peter warf seine Kisten an, für ein ambientes Spezialstück. Bente aus dem Off-Ya-Tree-Studio hatte auch etwas Passendes. Gib mir einfach ein DAT, wieviele Exemplare willst du bestellen? Das war der Spirit damals.  -Henrik Lafrenz

Das digitale Re-Release von Jungs & Mädels On A Dub Tip, gibt es ab morgen bei BANDCAMP zum Download.

 

2 Gedanken zu „20 Jahre Jungs & Mädels on a Dub Tip“

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